Vergleich Nachhaltigkeitsberichtstandards

Das Harvard Law School Forum on Corporate Governance hat die „big three“ Vorschläge der Nachhaltigkeitsberichterstattung – die Vorschläge der EFRAG, des ISSB und der SEC – verglichen und dabei Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausgearbeitet sowie allgemeine Bedenken geäußert.

Die „big three“ Vorschläge der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Die jahrelangen Forderungen nach größerer Transparenz von Investoren und anderen Stakeholdern in Bezug auf ESG-Themen haben zu erhöhten Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung geführt, welche nun durch mehrere Vorschläge zur Umgestaltung der Nachhaltigkeitsberichterstattung konkretisiert werden. Bisher wurden in 2022

  • in der Europäischen Union (EU) im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) durch die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG),
  • auf internationaler Ebene durch das International Sustainability Standards Board (ISSB) und
  • in den USA durch die Securities and Exchange Commission (SEC) Vorschläge für Nachhaltigkeitsberichtstandards veröffentlicht.

Diese „big three“ Vorschläge würden jeweils eine umfassende Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen vorschreiben – auch wenn der vorgeschlagene Umfang und andere Details variieren. Die ESRS haben bereits den größten Umfang mit 13 Entwürfen für Einzelstandards, welche alle 3 ESG Bereiche abdecken. Im Gegensatz dazu fokussieren sich die Standards des ISSB und der SEC auf klimabezogene Angaben.

Meiste Unternehmen von einem oder mehreren der Offenlegungssysteme betroffen

Angesichts eines globalen Netzes von Berichterstattungsanforderungen, die ein breites Spektrum von Akteuren der Wertschöpfungskette umfassen, ist es wahrscheinlich, dass die meisten Unternehmen von einem oder mehreren der vorgeschlagenen Offenlegungssysteme betroffen sein werden. Da die Äquivalenz – d.h. ob die Angaben für einen Berichtsrahmen einige oder alle Anforderungen eines anderen Rahmens erfüllen können – noch nicht geklärt ist, haben Unternehmen, die von mehreren Berichterstattungssystemen betroffen sind, ein berechtigtes Interesse daran zu verstehen, welche Berichterstattung gilt und wo es Übereinstimmungen und Unterschiede gibt. Aus diesem Grund hat das Harvard Law School Forum on Corporate Governance einen Vergleich der 3 Nachhaltigkeitsstandards veröffentlicht, welcher im Folgenden zusammengefasst wird.

Vergleich der Nachhaltigkeitsberichtstandards anhand von 6 Themenbereichen

Der Vergleich gliedert sich nach 6 Themenbereichen, wobei die Anforderungen der 3 Standards gegenübergestellt werden und die Autoren ihre Meinung sowie Anmerkungen und Vorschläge, welche sie im Rahmen der Konsultationsverfahren eingebrachten haben, wiedergeben. Die Gliederung erfolgt anhand der folgenden Themen:

  1. Allgemeine Merkmale der Entwürfe
  2. Wesentlichkeit
  3. Ziele, Übergangspläne und Resilienz
  4. Treibhausgasemissionen
  5. Prüfungssicherheit
  6. Datum des Inkrafttretens und Übergang

Gemeinsamkeiten der 3 Standards vor allem in Bezug auf Treibhausgasemissionen

Die Gemeinsamkeiten zwischen den 3 Standards von EFRAG, ISSB und SEC umfassen unter anderem:

  • Einbeziehung von Elementen, die auf dem Rahmenwerk der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) basieren;
  • Offenlegung der Ziele eines Unternehmens, die Art und Weise, wie es seine Ziele zu erreichen gedenkt, und die damit verbundenen Fortschritte bei der Erreichung von Meilensteinen;
  • Offenlegung von Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) und verweis auf das Greenhouse Gas (GHG) Protocol (Verwendung des GHG Protocol von der SEC nicht vorgeschrieben) sowie
  • Offenlegung von Scope 1 und Scope 2 THG-Emissionen in Tonnen Kohlendioxidäquivalent und die Darstellung einer oder mehrerer Intensitätskennzahlen (Verhältnis zwischen Emissionen und spezifischen Finanzkennzahlen), wobei die Auswirkungen von gekauften oder erzeugten Kompensationen nicht berücksichtigt werden. Alle 3 Vorschläge beziehen dieselben 7 Gase ein, die auch in den meisten größeren Reduktionsprogrammen enthalten sind.

Die Unterschiede zwischen den 3 Berichtstandards

Vor allem stechen aber die Unterschiede zwischen den 3 Berichtsstandards hervor, wobei die zentralen die Folgenden sind:

  • Anwendungsbereich: Die CSRD fordert eine umfassendere ESG-Offenlegung als die SEC und das ISSB. Es bestehen große Unterschiede in der Breite der Themen, die in den Anwendungsbereich fallen, obwohl es zu einer weiteren Angleichung kommen kann, wenn die SEC und das ISSB wie erwartet weitere Leitlinien herausgeben. Es wird erwartet, dass die EFRAG auch weitere sektorspezifische Standards vorschlägt.
  • Wesentlichkeit: Die Vorschläge der SEC und des ISSB betrachten die Auswirkungen der Nachhaltigkeit auf das Unternehmen durch die Brille des Anlegers und verlangen Informationen darüber, wie sie sich auf die finanzielle Leistung auswirken könnten. Im Gegensatz dazu erweitern die ESRS-Standards die Definition der Wesentlichkeit dahingehend, dass ein Unternehmen auch berücksichtigen muss, wie es sich auf die Umwelt ausgewirkt hat bzw. auswirken wird.
  • Emissionsziele: Die CSRD fordert von Unternehmen, Emissionszielwerte zu vorgegebenen Terminen und Übergangspläne festzulegen, die auf die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C abzielen, um Verhaltensänderungen zu bewirken. Die Vorschläge der SEC und des ISSB schreiben keine spezifischen Ziele oder Termine vor, sondern verlangen die Offenlegung aller vom Unternehmen festgelegten Ziele.
  • Organisationsgrenzen: Die Vorschläge der SEC und der EFRAG verlangen eine Anpassung an den Jahresabschluss, während das ISSB die vom GHG Protocol zugelassene Flexibilität vorsieht.
  • Treibhausgasemissionen: Der SEC-Vorschlag verlangt die Offenlegung von Scope-1- und Scope-2-Emissionen für jedes Gas auf disaggregierter Basis.
  • Prüfungssicherheit: Sowohl der EFRAG- als auch der SEC-Vorschlag sehen einen stufenweisen Ansatz für die Prüfungssicherheit vor, der mit einer eingeschränkten Sicherheit beginnt und zu einem späteren Zeitpunkt auf eine hinreichende Sicherheit ansteigt. Die Prüfungssicherheit in Bezug auf die ISSB Standards, wird von den Ländern entschieden, die die Standards annehmen.
  • Angaben in der Finanzberichterstattung: Im Gegensatz zur SEC, schlagen ISSB und EFRAG keine spezifischen Angaben im Anhang zum Jahresabschluss vor, obwohl beide Vorschläge auf die Bedeutung der Verflechtung zwischen Nachhaltigkeitsangaben und allgemeiner Finanzberichterstattung hinweisen.

Bedenken der Autoren der Studie bezüglich der Standards

Über den Vergleich hinaus äußern die Autoren der Studie insbesondere in Bezug auf 3 Aspekte Bedenken.

Operationalität der doppelten Wesentlichkeit

Zunächst betrifft dies die Operationalität der doppelten Wesentlichkeit. Die von der EFRAG vorgeschlagene Bewertung der "Wesentlichkeit der Auswirkungen" wirft Fragen hinsichtlich der praktischen Umsetzung auf. Insbesondere scheint es unmöglich zu sein, Konsistenz zwischen den Unternehmen zu erreichen, die über die unzähligen Möglichkeiten berichten, wie sie ihr Umfeld beeinflussen können. Außerdem sind die Autoren der Meinung, dass der von der SEC vorgeschlagene Schwellenwert von 1 % für die Offenlegung in den Fußnoten des Jahresabschlusses nicht die Art von aussagekräftigen Informationen liefern würde, die von den Anlegern gefordert werden, und für die Unternehmen schwer umzusetzen wäre. Die Anwendung der traditionellen Konzepte der Wesentlichkeit würde zu kohärenteren Angaben und einer stärkeren Konzentration auf die Informationen führen, die für die Anleger wichtig sind.

Absolute Menge aussagekräftiger als THG-Intensitätskennzahlen

Zweitens wird kritisiert, dass im Zusammenhang mit einer Netto-Null-Verpflichtung oder einer anderen wesentlichen Verpflichtung zur Reduzierung von Treibhausgasen die absolute Menge der in die Atmosphäre freigesetzten Treibhausgasemissionen – und der Fortschritt auf dem Weg zum Ziel – aussagekräftiger ist als THG-Intensitätskennzahlen.

Aggressiver Zeitplan

Letztlich merken die Autoren an, dass der erwartete Zeitplan für die Verabschiedung der EFRAG- und SEC-Vorschläge aggressiv ist und den Unternehmen nur wenig Zeit bleibt, um sich auf die weitreichenden Änderungen im Umfang der Berichterstattung vorzubereiten. Sie sind der Meinung, dass die Bedürfnisse der Investoren gegen die potenziellen Schwierigkeiten der Ersteller bei der Erstellung zuverlässiger, zeitnaher Informationen abgewogen werden sollten.

Abschließende Bemerkungen: Endgültige Standards sind abzuwarten

Die EFRAG, das ISSB und die SEC sind gerade dabei, die Vielzahl der Reaktionen auf ihre Vorschläge auszuwerten und in die Entwürfe einzuarbeiten. Die eingegangenen Beiträge können zu Änderungen an den endgültigen Vorschriften und Standards führen; in den Antworten auf alle 3 Vorschläge wurde häufig auf die praktische Notwendigkeit einer internationalen Zusammenarbeit und Kohärenz hingewiesen, ggf. auch auf die Feststellung der Äquivalenz. Ob die endgültigen Standards – trotz ihrer unterschiedlichen Ziele – eine weitere Angleichung widerspiegeln werden, wird sich zeigen, sobald die endgültigen Vorschriften und Standards in den kommenden Monaten veröffentlicht werden.


Der ausführliche englischsprachige Vergleich zwischen den drei Nachhaltigkeitsstandards, einschließlich der Anmerkungen des Harvard Law School Forums, ist hier aufrufbar.

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In der News-Reihe "Aktuelles zur Nachhaltigkeitsberichterstattung" fasst Herr Prof. Dr. Müller monatlich die neusten und relevantesten Entwicklungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung prägnant für Sie zusammen. Weitere aktuelle Ausgaben:

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