Entwurf des IASB: Ausnahme von der Bilanzierung latenter Steuern

Der Entwurf des IASB schlägt eine vorübergehende Ausnahme von der Bilanzierung latenter Steuern im Zusammenhang mit den Ertragsteuern der Pillar 2-Regelung der OECD vor.

Der International Accounting Standards Board (IASB) hat am 9.1.2023 den Exposure Draft ED/2023/1 veröffentlicht. Die Kommentierungsfrist endet bereits am 10.3.2023 (verkürzte Kommentierungsfrist). Alle Änderungen sollen, vorbehaltlich der Kommentare zum Standardentwurf, im 2. Quartal 2023 abgeschlossen werden.

Der Entwurf International Tax Reform—Pillar Two Model Rules (Proposed amendments to IAS 12) schlägt eine vorübergehende Ausnahme/Erleichterung (temporary exception) bei der Bilanzierung latenter Steuern vor, die sich infolge der bevorstehenden Umsetzung der Mindeststeuerkomponente (sog. Pillar 2) der internationalen Steuerreform der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf europäischer Ebene ergeben.

Hintergrund: Globale Mindestbesteuerung nach Pillar 2

Unter der Schirmherrschaft der OECD arbeiten mehr als 100 Staaten an einer Reform der Weltsteuerordnung. Ziel ist es den "Wettlauf nach unten bei den Körperschaftsteuersätzen einzudämmen" (Vgl. Rat der EU, Pressemitteilung v. 12.12.2022),  durch Einräumung eines – global einheitlich und verbindlich eingeräumten – Rechts zur zusätzlichen Mindestbesteuerung des in einer Jurisdiktion erzielten Gewinns ausländischer Tochter- und/oder Mutterunternehmen.

Anfang Oktober 2021 haben sich fast 140 Länder des sog. Inclusive Framework der OECD/G20 gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting, BEPS) auf eine Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung geeinigt (Vgl. OECD, 20.12.2021). Im Dezember 2021 veröffentlichte die OECD dann ihre model rules zur globalen Mindestbesteuerung. Danach verständigten sich die Länder des Inclusive Framework auf ein Regelwerk.

Die Reform der internationalen Körperschaftsteuervorschriften umfasst 2 Säulen (pillars):

  • Pillar 1: Ein neues System der Zuweisung von Besteuerungsrechten bzgl. der größten multinationalen Unternehmen an die Steuerhoheitsgebiete, in denen die Gewinne erwirtschaftet werden.
  • Pillar 2: Vorschriften, mit denen die Möglichkeiten für Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung verringert werden. Ziel ist ein Mindestsatz an Körperschaftsteuer für die größten multinationalen Unternehmensgruppen. Betroffen sind in Europa (inter-)nationale Unternehmensgruppen, die einen konsolidierten Konzernumsatz von mehr als 750 Mio. EUR in 2 der vorangegangenen 4 Jahren erwirtschaftet haben. Für Erhebungszeiträume ab dem 1.1.2023 wird über die sog. income inclusion rule, die mit der klassischen Hinzurechnungsbesteuerung verschiedener Länder vergleichbar ist, auf Ebene der Konzernobergesellschaft eine Zusatzsteuer (top-up tax) erhoben. Sofern die nach dem eigenständigen Regelungskonzept ermittelte effective tax rate unter 15 % liegt, wird die top-up tax erhoben. Damit soll die effektive Ertragsteuerbelastung multinationaler Konzerne mit (mindestens) 15 % sichergestellt werden.

Die EU-Mitgliedstaaten haben beschlossen, dem Europäischen Rat zu empfehlen, die Richtlinie zu Pillar 2 anzunehmen. Es wird ein schriftliches Verfahren für die förmliche Annahme eingeleitet. Im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten wurde am 12.12.2022 die erforderliche einstimmige Unterstützung, somit rechtliche Verankerung, erzielt. Die Richtlinie muss damit bis Ende 2023 in das nationale Recht der Mitgliedstaaten umgesetzt werden (Vgl. Rat der EU, Pressemitteilung v. 12.12.2022).

Änderungsvorschläge des ED/2023/1 im Überblick

Bereits Ende November 2022 adressierte der IASB kurzfristige narrow scope amendments an IAS 12. Viele Stakeholder zeigten sich insbesondere besorgt über die Unsicherheit bei der Bilanzierung latenter Steuern, die sich aus den Vorschriften ergeben besorgt. Sie erklärten, dass angesichts der bevorstehenden Umsetzung dieser Vorschriften in einigen Ländern dringend Klarheit geschaffen werden müsse. Mit dem Entwurf ED/2023/1 reagiert der IASB auf diese Bedenken und schlägt Folgendes vor:

  • Der Anwendungsbereich von IAS 12 soll um eine vorübergehende Ausnahme erweitert werden (IAS 12.4A). Demnach soll (shall) ein Unternehmen weder Informationen über latente Steueransprüche/-schulden im Zusammenhang mit Pillar 2-Ertragsteuern (Pillar Two legislation and Pillar Two income taxes) ansetzen noch angeben (shall neither recognise nor disclose).
  • Die vorgeschlagenen disclosures (IAS 12.88A-88C) sehen neben der Angabe, dass diese Ausnahme angewendet wurde, noch weitere Erläuterungen (für betroffene Unternehmen) vor; u. a.:
    • Angabe des tatsächlichen Steueraufwands/-ertrags im Zusammenhang Pillar 2-Ertragsteuern (current tax expense/income related to Pillar Two income taxes).
    • Für die laufende Periode, in denen die Pillar 2-Regelungen zwar (im Wesentlichen) verabschiedet wurden, jedoch noch nicht in Kraft getreten sind, sind die betroffenen Rechtsgebiete/Gesetze anzugeben, Informationen über Rechtsgebiete, in denen der durchschnittliche effektive Steuersatz des Unternehmens für die aktuelle Periode unter 15 % liegt sowie Angaben, inwiefern Beurteilungen durchgeführt wurden, ob unternehmensspezifische Rechtsgebiete von der (Einhaltung der) Pillar 2-Regelung betroffen sind oder nicht.

Für die Übergangsregelungen schlägt der IASB vor, die Ausnahme sofort nach Veröffentlichung der (finalen) Änderungen und retrospektiv gem. IAS 8 anzuwenden. Die Angabevorschriften sind für Geschäftsjahre anzuwenden, die am oder nach dem 1. Januar 2023 beginnen.

Praxis-Tipp

Vor dem Hintergrund diverser Fragestellungen im Zusammenhang mit der bevorstehenden Umsetzung der Pillar 2-Regelung, könnte der ED/2023/1 eine Verschnaufpause gewähren. Die Frage, ob die IFRS als einheitliches Regelwerk für die (Mindest-)Steuer - begrenzt für den Europäischen Wirtschaftsraum – herangezogen werden können, bleibt jedoch (noch) unbeantwortet und ist überdies auf EU-Ebene zu klären.


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