CSRD: Unternehmensberichterstattung im Wandel

Die EU hat bereits zum Geschäftsjahr 2024 eine sowohl qualitative als auch quantitative Veränderung der 2017 eingeführten nichtfinanziellen Erklärung beschlossen. Durch die mit der EU-Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) einhergehenden verpflichtenden EU-Nachhaltigkeitsberichterstattungs-Standards (ESRS) soll die Darstellung verbessert und vergleichbarer werden. Zudem werden statt bestimmter kapitalmarktorientierter Unternehmen dann ab 2025 auch alle großen Kapitalgesellschaften verpflichtet.

Die Unternehmensberichterstattung befindet sich in einem Umbruch. Die Tendenz geht dabei weg von der reinen finanziellen Abbildung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage hin zur Darstellung von nichtfinanziellen Faktoren. Schon bisher haben große Kapitalgesellschaften im Lagebericht über die bedeutsamsten nichtfinanziellen Leistungsindikatoren (wie Informationen über Umwelt- und Arbeitnehmerbelange) zu berichten, soweit dies für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage von Bedeutung sind (§ 289 Abs. 3 HGB). Diese gesetzliche Vorgabe ist in den letzten Jahren zunehmend um Nachhaltigkeitsberichterstattungen auf freiwilliger Basis ergänzt worden, wobei als Stichworte hierzu nur stellvertretend das Framework des International Integrated Reporting Councils (IIRC) und der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) zu nennen sind. Auf diesen Zug ist auch die EU aufgesprungen, indem im November 2014 die RL 2014/95/EU (sog. CSR-Richtlinie) verabschiedet wurde, die eine weitere Ausweitung der pflichtmäßigen Publizität nichtfinanzieller Informationen für bestimmte kapitalmarktorientierte Unternehmen seit dem Geschäftsjahr 2017 fordert.

"Green Deal" gibt dem Thema einen Schub

Insbesondere im Rahmen des weiter gefassten "Fitness Checks"  der Europäischen Kommission 2018 (Eignungsprüfung des EU-Vorschriftenrahmens im Bereich der Unternehmensberichterstattung), die diese zum Gesamtrahmen der Rechnungslegung in der EU durchführte, wurde allerdings offensichtlich, dass die bis heute unverändert geltenden nichtfinanziellen Berichtspflichten der CSR-Richtlinie dringend reformbedürftig sind. Der "Green Deal" der EU mit dem besonderen Fokus auf den notwendigen Herausforderungen der Berichterstattung und Finanzierung mit Blick auf die Bekämpfung des Klimawandels gab dieser Kritik weiteren Schub. Als derzeitiger Zwischenstand wurde nun die CSRD von der EU final beschlossen und am 16.12.2022 als Richtlinie (EU) 2022/2464 im Amtsblatt der EU bekannt gemacht (in deutscher Sprache hier abrufbar).Damit hat der deutsche Gesetzgeber nun bis zum 6.7.2024 Zeit, einen Nachhaltigkeitsbericht als pflichtgemäßen Bestandteil des Lageberichts im HGB umzusetzen.

Die Umsetzung der Richtlinie in das HGB ist fast reine Formsache, da es nur minimale Mitgliedsstaatenwahlrechte gibt, die noch von deutscher Seite bei der Umsetzung entschieden werden können. Zudem liegen finale Entwürfe eines ersten Sets von EU-Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards vor, die als delegierte Verordnungen nach deren Veröffentlichung im Juni 2023 unmittelbar und verbindlich von jeweils verpflichteten Unternehmen zu beachten sind (s. ausführlicher Kap. 4: EU-Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung).

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Klare Fokussierung auf Nachhaltigkeit und Bekämpfung des Klimawandels

Mit der neuen CSR-Richtlinie soll die nichtfinanzielle Unternehmensberichterstattung in der EU gestärkt und gleichzeitig der Green Deal weiter vorangetrieben werden. Die beschlossenen Änderungen sollen für mehr Transparenz über nachhaltige Aspekte sorgen und lässt damit die Nachhaltigkeitsberichterstattung deutlich näher zur klassischen Finanzberichterstattung rücken – in der Richtlinie wird sogar das Ziel der Gleichwertigkeit der beiden Berichtsformen erwähnt. Wurde in der Begründung für die Ausweitung der Berichterstattung über nichtfinanzielle Sachverhalte ab dem Geschäftsjahr 2017 vom europäische Richtliniengeber insbesondere auf das gesunkene Vertrauen des Kapitalmarkts in die Publizitätsqualität von Unternehmen des öffentlichen Interesses verwiesen, so werden jetzt die teils weitreichenden Neuregelungen im Kontext der Transformation der europäischen Wirtschaft verstanden.

Wenn Unternehmen eine bessere Nachhaltigkeitsberichterstattung durchführen würden, würde dies letztendlich Bürgerinnen und Bürgern und Sparern, einschließlich Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretern, zugutekommen, indem sie angemessen informiert wären und sich so besser in den sozialen Dialog einbringen könnten. Sparer, die nachhaltig investieren wollen, werden fortan die Möglichkeit haben, dies zu tun, während von einem stabilen, nachhaltigen und inklusiven Wirtschaftssystem alle Bürgerinnen und Bürger profitieren würden. (…)

So könnten Geschäftspartner von Unternehmen, einschließlich Kunden, sich auf Nachhaltigkeitsinformationen stützen, um ihre Nachhaltigkeitsrisiken und -auswirkungen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zu verstehen und gegebenenfalls darüber Bericht zu erstatten. Politische Entscheidungsträger und Umweltagenturen können diese Informationen – insbesondere in aggregierter Form – nutzen, um ökologische und soziale Entwicklungen zu überwachen, die umweltökonomische Gesamtrechnung zu fördern und die öffentliche Politik zu informieren. Zwar konsultieren nur wenige Bürgerinnen und Bürger und Verbraucher die Jahresberichte von Unternehmen direkt, doch könnten sie die darin enthaltenen Nachhaltigkeitsinformationen indirekt nutzen, z. B. bei der Prüfung von Empfehlungen oder Stellungnahmen von Finanzberatern oder Nichtregierungsorganisationen. CSRD, Erwägungsgrund 9

Ziel Klimaneutralität: Berichterstattung und Finanzierung als Werkzeug

Die Verpflichtungen der EU zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050, zusammen mit den gesteigerten Einsparzielen bis 2030 und 2040, schlagen somit auch ganz konkret auf die Unternehmen durch. Auffällig ist dabei allerdings, dass die EU hier den Weg über die Finanzierung und die Berichterstattung wählt, statt konkrete Vorgaben zu machen bzw. etwa den Emissionshandel auf weitere Branchen und Länder auszuweiten (und entsprechende Ein- und Ausfuhrregelungen zu implementieren). So spüren die Unternehmen die Auswirkungen nur indirekt, wenn sie mit ihren Produkten und Herstellungsweisen nicht in das Schema der EU-Taxonomie fallen und die weitere Auswertung der Nachhaltigkeitsberichterstattung durch Versicherungen und Kreditinstitute zu Schwierigkeiten in der externen Risikoverlagerung und der Kreditgewährung führen. Darüber hinaus ist fraglich, ob die wohl deutlich geringere Zahl an interessierten Adressaten die hohen Kosten der Berichterstattung durch zu entwickelnde oder anzupassende Erfassungs- und Steuerungssysteme sowie aufzubauende personelle Expertise rechtfertigt. Allerdings impliziert auch etwa das International Integrated Reporting Committee (IIRC), dass die Berichtspflicht auch eine Wirkung auf das Verhalten des Unternehmens selber hat (Integrated Thinking).

Die Erweiterung der Berichtspflichten hinsichtlich der ökologischen und gesellschaftlichen Aspekte des betrieblichen Handelns führt für die (neu) betroffenen Unternehmen nach dem Entwurf der EU zu durchschnittlichen jährlichen Kosten von etwa 100.000 EUR, denen lapidar deutlich höhere Kosten bei einer ungeregelten Berichterstattung gegenübergestellt werden, da letztlich die Kreditinstitute, Versicherungen und andere verpflichtete Unternehmen hier ihre Informationsansprüche ansonsten individuell an die Unternehmen richten müssten. Aus Sicht der deutschen Vorgabe, Bürokratie abzubauen, d. h. dass bei einer neuen Belastung auch mind. eine Entlastung an anderer Stelle einhergehen muss, zählt dies nicht, da es sich um ein europäisches Projekt handelt. Dies dürfte betroffene Unternehmen allerdings wenig überzeugen und zeigt, dass die sicherlich notwendige nachhaltige Ausrichtung nicht nebenbei und kostenneutral zu erreichen ist.

Ausweiswahlrecht entfällt

Aus Flexibilitätsaspekten beinhaltet die CSR-Richtlinie von 2014 zahlreiche Mitgliedsstaatenwahlrechte, etwa für den Ort des Ausweises, der nach § 289b Abs. 3 HGB auch gesondert im Internet erfolgen darf. Diese Möglichkeit soll nach der verabschiedeten CSRD nun gestrichen werden. Damit ist der Nachhaltigkeitsbericht pflichtgemäß innerhalb des (Konzern-)Lageberichts in einem gesonderten Abschnitt auszuweisen.

Prüfungspflicht – durch Abschlussprüfer oder anderen Prüfer

Des Weiteren sieht die Gesetzgebung bislang vor, die nichtfinanzielle Erklärung pflichtgemäß nur einer formellen Prüfung durch den Abschlussprüfer zu unterziehen (§ 317 Abs. 2 Satz 4 HGB), wohingegen allerdings der Aufsichtsrat nach § 171 AktG auch eine inhaltliche Prüfung vorzunehmen hat. Nach dem Willen der EU wird es hier auch zu einer Pflichtprüfung kommen, wobei ein Mitgliedsstaatenwahlrecht vorgesehen ist, diese entweder durch den Abschlussprüfer oder einen anderen Prüfer vornehmen zu lassen. Erste Signale deuten aber darauf hin, dass in Deutschland in jedem Fall ausschließlich Wirtschaftsprüfer zugelassen werden sollen, was durch die notwendige Verknüpfung mit der übrigen Abschlussprüfung auch sinnvoll erscheint. Allerdings soll die Prüfung angesichts des komplexen Prüfungsgegenstands und noch fehlender klarer Berichterstattungs- und Prüfungsnormen zunächst nur mit begrenzter Sicherheit erfolgen müssen, was weiterhin Konflikte mit der Abgrenzung zu den auch inhaltlich voll prüfungspflichtigen nichtfinanziellen Leistungsindikatoren im Lagebericht aufwirft.

Zeitplan

Die Europäische Kommission sieht angesichts des drohenden Klimawandels und der generellen hohen Bedeutung der Nachhaltigkeit einen sehr straffen Zeitplan für die neue Nachhaltigkeitsberichterstattung vor:

  • Bereits ab 2024 werden die neuen Berichterstattungserfordernisse werden von den schon bislang nach den §§ 289b und 315b HGB  verpflichteten großen kapitalmarktorientierten Unternehmen mit im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Mitarbeitern anzuwenden sein;
  • ab dem Geschäftsjahr 2025 haben nun auch alle nach § 267 HGB großen großen Kapital- und denen über § 264a HGB gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften in der EU Daten über die Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf Menschen und den Planeten und alle Nachhaltigkeitsrisiken, denen sie ausgesetzt sind, offenzulegen;
  • ab 2026 sind dann auch kleine und mittelgroße kapitalmarktorientierte Unternehmen verpflichtet;
  • Nicht-EU-Unternehmen mit erheblicher Tätigkeit in der EU (mit einem Umsatz von über 150 Mio. EUR in der EU) müssen die Anforderungen ebenfalls erfüllen;
  • in Art. 19a Abs. 3 der Richtlinie ist eine Übergangsfrist bis 2028 für mittelbar betroffene Unternehmen (die in der Lieferkette von verpflichteten Unternehmen sind) vorgesehen: Für den Fall, dass nicht alle erforderlichen Informationen über die Wertschöpfungskette verfügbar sind, muss das Unternehmen erläutern, welche Anstrengungen unternommen wurden, um die erforderlichen Informationen über die Wertschöpfungskette zu erhalten. Es ist zu begründen, warum nicht alle erforderlichen Informationen eingeholt werden konnten, und das Unternehmen muss seine Pläne erläutern, um künftig die erforderlichen Informationen einzuholen. Aufgrund dieser hohen Anforderungen an die Abgabe einer unvollständigen Berichterstattung dürfte aber davon auszugehen sein, dass dies möglichst von den Unternehmen vermieden wird, was bedeutet, dass die mittelbar betroffenen Unternehmen sich ebenfalls auf das Jahr 2025, ggf. sogar schon 2024 einstellen müssen, um nötige Informationen zuzuliefern.

Bezüglich der gesetzlichen Umsetzung sind die geplanten Anwendungszeitpunkte bereits sehr nah, denn es gibt folgende Meilensteine:

Juni 2023:

  • Bekanntmachung des ersten Sets an ESRS als verbindlich zu beachtende delegierte Verordnungen der EU.

spätestens 6.7.2024:

  • Umsetzung der CSRD im HGB.

2023 - 2025:

  • Parallele Entwicklung und Verabschiedung weiterer Sets an ESRS, insb. zu Besonderheiten der KMU und branchenbezogenen Vorgaben.

Sustainable Finance Initiative der EU

Die Ausweitung der Berichterstattungspflichten kann nicht isoliert betrachtet werden. Im Rahmen der Sustainable Finance Initiative der EU sind gegenwärtig zahlreiche Regulierungsmaßnahmen beschlossen bzw. in Vorbereitung, welche das Fundament für ein nachhaltiges EU-weites Finanzsystem legen sollen. Bereits verabschiedet sind die umfangreichen Taxonomie-Verordnungen, mit denen die EU nachhaltige Geschäftsmodelle definiert und – bislang nur von kapitalmarktorientierten Unternehmen – Informationen zum Anteil der nachhaltigen Aktivitäten am Umsatz, dem Vermögen und den Investitionen geben müssen (siehe dazu News zur EU-Taxonomie). Diese Vorgaben sind bereits in die ESRS eingearbeitet, sodass es hier zu einer Ausweitung auch auf andere Unternehmen kommt.

Weitreichende Auswirkungen sind hierbei auf die Unternehmensfinanzierung sowie auf dafür erforderliche nachhaltigkeitsrelevante Transparenzpflichten zu erwarten. Dies betrifft dann auch direkt die kleinen und mittelgroßen Unternehmen, die zukünftig noch öfter nach Nachhaltigkeitsdaten gefragt werden von Banken, die im Rahmen der Kreditvergabe die Nachhaltigkeit stärker berücksichtigen müssen. Der von der EU skizzierte weitere Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft dürfte somit dazu führen, dass es für Unternehmen unabhängig der Größe doch gängige Praxis wird, Nachhaltigkeitsinformationen zu erheben und zur Verfügung zu stellen. Damit müssen auch KMU ihrer Rolle beim Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft in vollem Umfang gerecht werden, meint die EU in der verabschiedeten CSRD.

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